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Pecha Kucha Night: Das Leben, die Liebe und der Schluss

Ich war sehr überrascht, als ich auf Facebook gelesen habe, dass die Pecha Kucha Night Hamburg #10 die letzte in der Hansestadt sein sollte. Diese tolle Veranstaltung, bei der Kreative in je 20 Bildern mal 20 Sekunden erzählen, was oder welches Projekt sie bewegt. Aber irgendetwas hat mir gesagt, dass ich mal abwarten und nicht voreilig irritiert sein sollte. Also habe ich mich mit dem Es-echt-schade-Finden zurück gehalten.

„Wir müssen reden Klaus Maria“, sagt Linda Salicka am Donnerstagabend. Es ist nicht ganz klar, wen oder was sie damit meint. Anstatt auf der Uebel&Gefährlich-Bühne den ersten Vortragenden anzukündigen, redet die Veranstalterin einfach selbst und meint es richtig ernst. Sie spricht von Trennung, Körperfülle, Geld und dass es einfach nicht so weiter gehen kann.

Pecha KuchaJetzt ist klar, es geht um die  Pecha Kucha Night Hamburg, die so leider nicht fortgeführt werden kann. Zu gewaltig ist der Aufwand, zu klein das Budget und ein reines Kommerz-Event soll aus dem netten Story-Telling auch nicht werden. Deshalb hat sich Linda direkt etwas Neues überlegt: OFF THE RECORD soll die neue Hamburger Veranstaltungsreihe heißen: weniger Regeln und weniger Druck auch für die Initiatoren. Aber wie war denn nun die letzte offizielle Pecha Kucha Night? (Eine gibt DIE ZEIT im neuen Jahr noch aus)

Grob zusammengefasst haben sich alle Vorträge um das Leben, die Liebe und den Abschied gedreht:

Hannah Peschel 2
Hannah Peschel hat, Achtung, nicht BWL sondern Terrorismus und Counterterrorismus studiert und sich dann entschieden, in Jerusalem zu leben – aus Faszination für das Land sowie seine Strände. Häufig pendelt sie aus beruflichen Gründen nach Palästina und zurück und begibt sich damit jedes Mal in Lebensgefahr. Sie ist trotzdem glücklich, sogar sehr, so scheint es. Denn die mutige, lebenslustige junge Frau hat sich für das Heilige Land als Heimat entschieden. Dort tut sie alles, was sie auch in Deutschland machen würde. So einfach ist das!

Paul Koncewicz
Paul Koncewicz ist Halbpole, kennt jedoch seinen polnischen Vater und dessen Familie kaum. Für ein Fotoprojekt beschließt er dies zu ändern und das (Land-)Leben in Polen mit Bildern zu dokumentieren. Das große emotionale Aha-Erlebnis bleibt aus. Näher fühlt sich Paul seinen Verwandten jetzt nicht. Die Anekdoten seines Vaters drehen sich am Ende nur im Kreis, ohne dabei die Belange seines Sohnes zu streifen. Auf interessierte Fragen wartet Paul vergeblich, hat dafür aber wunderbar authentische Fotos im Kasten, die er auf Veranstaltungen wie der Pecha Kucha Night zeigen kann.

Claas-Hendrik Berg 2
In was für einer Demokratie leben wir eigentlich? THE GOOD DUDE – mit bürgerlichem Namen Claas-Hendrik Berg – findet Politik einfach zu realitätsfern. Er lädt deshalb dazu ein, eine Politik zu entwerfen, die irgendwie cooler ist und die die Menschen mit einbezieht. Die sich nicht auf halbwegs Funktionierendem ausruht bzw. von Verdrossenheit geprägt ist, sondern existierende Strömungen wie den Start-up-Spirit aufgreift und für echte politische Teilhabe nutzt. Vielleicht ließe sich so der Altersdurchschnitt der gängigen Parteien von um die 60 etwas senken. Ideas anyone? Dann schreibt Hendrik, zum Beispiel unter auf Facebook.

Henning Karl
Henning Karl ist ein schicker Hamburger Jung, der richtig gut singen kann. Begleitet wird er unter anderem von einem Kontrabass und einer Melodica. Demnächst will die fünfköpfige Band ins Studio, dafür lässt sie bei Pecha Kucha am Donnerstag den Hut rumgehen. Schön nordische Bilder flimmern dazu über die Leinwand und der Sound passt zu salziger Hafenluft, die man bei Herzschmerz tief einatmen kann. „Zwei von Milliarden“ heißt einer der aktuellen Songs, 300 Euro sind für die Jungs zusammen gekommen.

Nina Deissler
Wer sich schon immer gefragt hat, warum er immer an die Falschen gerät, muss den Fehler bei sich selbst und nicht bei „den Falschen“ suchen. So zumindest die Theorie und Beratungsgrundlage von Liebes-Expertin Nina Deissler. Denn wie wir uns fühlen, wenn wir mit jemandem zusammen sind, wird maßgebliche davon beeinflusst, was in uns selbst von Kindheitstagen auf so los ist.

Mit anderen Worten: Es kommt darauf an, welche Ängste und Enttäuschungen wir in uns tragen und welche Hoffnungen, Erwartungen und Wünsche. Wenn also jemand durch Zufall unsere „Pain Points“ drückt, ist das gaaanz schlecht. Es sei denn, wir sind stark genug, dies auszuhalten und stehen drüber.

Christina Mars
Christina Gotz kann nicht nur Magazinseiten mit tollen Zeichnungen illustrieren, sondern auch selbst schreiben. Ein Glücksfall, dass Pecha-Kucha-Initiatorin Linda Salicka ihren Artikel „Vom Schoß zwischen die Schläfen“ gelesen hat. Ein Text, der eine Frau proträtiert, die im falschen Körper geboren ist, in einem männlichen also. Bereits im Jugendalter hat sie das erste Mal versucht, sich umzubringen. Nach Hänseleien, nach Psychodruck, nach Folter in einer Klinik.

Es ist schrecklich, wenn du sprichst, aber dich nicht hörst; wenn du deine Hände betrachtest, es aber nicht deine Hände sind. So in etwa fühlt die innere Stimme der Protagonistin aus Christinas Geschichte, die sich nichts mehr wünscht, als dass das Geschlecht in unserer Gesellschaft nicht mehr biologisch, sondern vielmehr nach emotionalem Empfinden bestimmt würde.

Jonas Klingenberg
Auch Jonas Klingenberg im Bild rechts, fröhlich weiß, wie man Schmerz in starke Worte fasst. Dabei sind seine Verse so poetisch, tief und mächtig, dass mir (jetzt bitte weglesen) eine Träne über die rechte Wange rollt. „Ich liebe den Schatten, den du hinterlässt“, lautet einer der Sätze, die ich hoffentlich recht erinnere. Und die Moral von Jonas Geschicht ist, dass wahre Liebe nicht egoistisch ist. Sie sei so selbstlos, dass sie sogar die Freude darüber beinhalten müsse, dass der Geliebte mit einem anderen Menschen glücklicher ist, als mit einem selbst. Aber ist die Liebe so wenig ichbezogen?

Genau das ist/war in meinen Augen das Schöne an der Pecha Kucha Night Hamburg: Dass sie Fragen aufwirft und nicht immer beantwortet! Ich bin gespannt wie es „OFF THE RECORD“ weitergeht! Klaus Maria sagt: Danke Linda …

 

Alle Fotos: Stefan Seimer

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