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A Summer’s Tale: Festival mal anders

a summer's tale 2015: Wiese, Installation

Hallo, ich bin Sonja, gebürtige Hessin und seit fünfeinhalb Jahren glückliche Wahlhamburgerin. Ich habe die Ehre, euch als Gastautorin auf Hambitious ein wenig vom neuen Festival A Summer’s Tale zu berichten. In den letzten Wochen wurde überall in Hamburg auf diese Großveranstaltung im Lüneburger Umland hingewiesen. Ich war die gesamten vier Tage dort und habe für das Festival die gleichen Gefühle wie für den Schauspieler Jared Leto entwickelt: Zum Verlieben schön und bezaubernd sind sie beide – aber leider auch irgendwie aufgesetzt und angestrengt hip.

Das Festival A Summer’s Tale ist das jüngste Kind des Konzertveranstalters FKP Scorpio und wie man weiß, möchten sich jüngere Kinder gerne von den älteren Geschwistern unterscheiden. Daher werden hier andere Schwerpunkte gesetzt als etwa beim renommierten Hurricane Festival. Vom 5. bis 8. August fanden in Luhmühlen bei Lüneburg „nur“ rund 35 Konzerte statt, also etwa ein Drittel der musikalischen Auftritte, die das Hurricane zu bieten hat.

a summer's tale 2015: ast calexico heikosehrsam

Den Abschluss des Festivals machte die Band Calexico © FKP Scorpio/Heiko Sehrsam

Das liegt nicht nur daran, dass A Summer’s Tale 2015 mit 7.000 Besuchern deutlich kleiner ausfällt als die große Schwester – Konzerte machen bei diesem neuen Festival tatsächlich nur die Hälfte des Programms aus. Neben musikalischen Darbietungen standen Lesungen, Filmvorführungen, Workshops, Vorträge zu sozialen Themen sowie jede Menge Veranstaltungen für Kinder auf dem Programm.

a summer's tale 2015: Electro-Swing-Workshop © FKP Scorpio/Nicole Zaddach

Electro-Swing-Workshop © FKP Scorpio/Nicole Zaddach

Da deutet sich schon an, welche Zielgruppe mit A Summer’s Tale angesprochen werden soll: hippe, gesellschaftlich interessierte Ü30-Jährige, gerne auch mit Kind. Musikliebhaber, die noch auf Festivals gehen wollen, aber keine Lust mehr auf Komasaufen und katastrophale hygienische Zustände haben. Statt „Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll“ heißt es hier „Family Yoga, Edelkaffee und Mitwippmusik“. Das klingt jetzt aber verächtlicher als es gemeint ist!

a summer's tale 2015: Acro Yoga © FKP Scorpio/Robin Schmiedebach

Auch Acro Yoga wurde angeboten © FKP Scorpio/Robin Schmiedebach

Tatsächlich hatte das Festival mit Electropop-Ikone Róisín Murphy, dem melancholischen Iren Damien Rice und der Pianovirtuosin Tori Amos eine große Bandbreite an hervorragenden Künstlern zu bieten. Der Sound und die Lichtshows waren wunderbar und als Patti Smith, die Godmother of Punk, „people have the power“ in den Sternenhimmel grölte, waren ringsum nur glückliche Gesichter zu sehen.

a summer's tale 2015: Damien Rice © FKP Scorpio/Robin Schmiedebach

Große Emotionen beim Auftritt von Damien Rice © FKP Scorpio/Robin Schmiedebach

Überhaupt war die Festivalatmosphäre sehr angenehm. Bereits seit Ende Juli hatten rund 200 Freiwillige das Gelände in ein verzaubertes Nimmerland verwandelt. Glitzernde Metallvögel schwebten über der Waldbühne und überall fand man liebevoll gestaltete Rückzugsorte mit Sonnensegeln. Zusätzlich waren die Tische mit Blumen verziert und sobald die Sonne unterging, erstrahlten viele Bäume in buntem Licht.

a summer's tale 2015: Beleuchtete Bäume (c) Sonja-WilhelmerBesonders gefallen haben mir auch die ökologischen und sozialen Ansätze des Festivals. Neben unzähligen sauberen(!) Wasserklosetts gab es auch Komposttoiletten von Goldeimer, auf denen Festivalbesucher eifrig zur Humusproduktion beitrugen. Pfandbecher konnten an die freundlichen Mitarbeiter der Wasserinitiative Viva con Agua gespendet werden, und wer sich im „The Tale’s Café“ einen Kaffee gönnte, hat die Organisation automatisch unterstützt.

Laut Programmheft wurde bei allen kulinarischen Angeboten auf die „Verwendung von Nahrungsmitteln in Bioqualität“ geachtet. Auch an Vegetarier und Veganer war dabei gedacht worden. Doch leider hinterlässt gerade dieser Aspekt einen negativen Beigeschmack bei mir. „Ich glaube, das ist nur Marketing“, sagte ein Freund zu mir. Ganz falsch lag er damit sicher nicht, denn die Veranstalter waren einfach nicht konsequent genug.

a summer's tale 2015 Festplatz © FKP Scorpio/Robin Schmiedebach

© FKP Scorpio/Robin Schmiedebach

So konnte ich nirgendwo entdecken, dass die Quarkerei die Produkte für ihren Stand aus Biomilch hergestellt hätte. Und warum wurde Plastikgeschirr auf dem Campingplatz aus Umweltschutzgründen verboten, dann aber von mehreren Fressbuden verwendet und sogar vom festivaleigenen Kiosk verkauft? Könnte es sein, dass „bio“ und „öko“ einfach wunderbare Gütesiegel sind, um Viertagestickets für happige 169 Euro und Burritos für 6,90 Euro an den Mann zu bringen? Immerhin kann man sich so gleich ein wenig gutes Gewissen dazu kaufen.

a summer's tale 2015: Belle & Sebastian

Belle & Sebastian holten sich zur Unterstützung Fans auf die Bühne

Und da wären wir wieder bei meinem Jared-Leto-Vergleich. Ich gebe gerne zu, wie das A Summer’s Tale hat er mich mit seiner Art verzaubert und als Fan gewonnen. Und wie das neue Festival wird Leto sicher auch im nächsten Jahr sehr erfolgreich sein. Trotzdem ist das vegane, hippe und saubere Image beider ein bisschen zu schön, um wahr zu sein …

vincent-vegan-ast-rs

So sieht Freude aus, wenn man nach 45 Minuten Wartezeit (!) eine köstliche vegane Currywurst sein Eigen nennt.

War von Euch auch jemand auf dem A Summer’s Tale 2015? Und habt ihr es ähnlich empfunden wie ich?

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