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Sag es kurz: Pecha Kucha Night

Gute (Frauen-)Serien sind die, bei denen man innerhalb einer Folge lachen und weinen muss oder zumindest nachdenklich wird. Und etwa so war es am Mittwoch bei der Pecha Kucha Night Hamburg im Imperialtheater auf der Reeperbahn. Ich bin ganz ehrlich: Als ich auf dem Facebook-Flyer las „Stories in 20 Bildern x 20 Sekunden“, hatte ich keine Ahnung, was mich da erwartet.

Latent schwang vielleicht sogar die Empörung darüber mit, dass ich 9 Euro zahlen sollte, dafür, dass mir Leute wahrscheinlich ihr Geschäftsmodell präsentieren. Aber was zunächst klingt wie ein afrikanischer Trommeltanz (gesprochen Petscha Kutscha), war ein interessanter Ausflug in die Köpfe unterschiedlicher Menschen, die alle für ihre Sache brennen.

Pecha Kucha Nights Oliver BarteldsSo springt der Funke bereits bei Oliver Bartelds über, der erste Presenter, der 20 x 20 Sekunden Zeit hat, um sich in 20 Powerpoint-Folien vorzustellen. Als Wander- und Reinhold-Messner-Fan beschließt der gebürtige Ostfriese 2012 mit einem Freund die „Höhen“ Deutschlands zu erklimmen. Das heißt, die jeweils größte Erhebung in jedem Bundesland auszumachen. In Bremen gar nicht so einfach, wenn sich die als platte Wiese tarnt. Ein kluger Schachzug: Durch intelligente Eigenwerbung bekommt die Truppe von der Deutschen Bahn eine BahnCard 100 geschenkt.

Selbst die kleinsten Orte bereisen Oliver und seine Freunde per Zug, „Einfach weil wir es konnten“, sagt er. Die Schönheit der Natur inspirierte ihn dabei zu Sätzen wie: „Wir brauchen kein 5-Sterne-Hotel, wenn wir unter Millionen von Sternen schlafen können.“ Auch wenn im Laufe des Projekts der ein oder andere Weggefährte aufgrund der unkomfortablen Bedingungen auf der Strecke bleibt, wirkt für Oliver ein ganz besonderes Jahr noch immer nach.

Pecha Kucha Night Matthias Kulcke Hamburger MöbelmesseMatthias Kulcke schlägt bei Pecha Kucha einen etwas langsameren Ton an, hinter dem aber nicht weniger Leidenschaft steckt. Der Unidozent spricht davon, wie aus Träumen Wirklichkeit wird. Die Träume, mit denen er sich auskennt, sind die von Möbeldesign- und Innenarchitektur-Studenten. Durch den von Matthias initiierten Designwettbewerb „Hamburger Möbel“ bekommen jungen Talente eine Plattform.

Der Erfinder des besten Entwurfs gewinnt in jedem Durchgang eine Geldförderung sowie Experten-Unterstützung, zum Beispiel in Sachen Marketing. Was daraus werden kann, wenn ein Entwurf aus der Schublade tatsächlich in die Welt hinauszieht, zeigt der Computertisch „mobileHOME“ von Tim Ranisch. Die Schöpfung des Studenten, der 2011 den zweiten Preis abgesahnt hat, ist bereits produziert und mittlerweile im Hamburger Stilwerk zu bewundern.

Pecha Kucha Night Die-ParteiDie Politikszene aufmöbeln wollen die Satiriker Günter Flott, Alexander Frupe und Björn Kotte mit den Aktionen und Plakaten von DIE PARTEI. Das Pecha Kucha Publikum kam am Mittwoch in den Genuss, Genaueres über den Spitzenkandidaten der gerade vergangenen Bürgerschaftswahl zu erfahren. Der zweiäugige Blecheimer habe nach seinen Auslandsaufenthalten und einer steilen Karriere jetzt DIE PARTEI zum Sieg geführt. Bis zur Weltherrschaft fehle nun nicht mehr viel, sind sich die Herren in grauen Anzügen und roten Krawatten sicher.

Pecha Kucha Night Johannes-HonsellFilmemacher Johannes Honsell schafft den Schwenk zu einer Geschichte, die gleichzeitig berührend ist und zum Nachdenken anregt. Mit seiner Kamera begleitet er die Patchworkfamilie um ein Kind aus einem Reagenzglas. Der Säugling Henry hat zwei Mütter und zwei Väter, genau wie seine ältere Schwester. In den Worten der Kleinen „Einen Papi, einen Daddy, eine Leihmami und eine Eimami“. Denn eine Frau aus Amerika lieferte die Eizelle, während eine andere das Baby ausgetragen hat. Fünf Menschen, die sich kaum kennen, sind somit jetzt für immer miteinander verbunden.

Pecha Kucha Night Fairphone Philippe BirkerUm ein nachhaltiges Bewusstsein geht es bei Philippe Birker von Fairphone aus Amsterdam. Er wirbt eindringlich dafür, Handys nicht nach einem Jahr wieder wegzuschmeißen. Denn die Elektronik in einem Smartphone setzt sich unter anderem aus 40 Mineralien zusammen, doch weil Nutzer nicht so genau wissen woher diese kommen, denken sie auch nicht darüber nach, was nach dem Wegwurf damit passiert. Philippe zeigt auf seinen Pecha Kucha Folien eine riesige Elektroschrott-Müllhalde in Afrika. Außerdem erzählt er von hart schuftenden Fabrikarbeitern aus China, die noch nie das Wort „Betriebsrat“ gehört haben.

Die Idee des Start-ups Fairphone: ein Gegenmodell entwerfen. Philippe und seine Kollegen sind dabei, ein nach nachhaltigen Aspekten produziertes Handy herzustellen. Ok, bisher wissen sie nur, dass dies bei der Herstellung von 4 von 40 Mineralien der Fall ist. Aber der Weg ist schließlich auch das Ziel! Momentan sind alle Fairphone-Telefone ausverkauft. Wenn das so weiter geht, denken vielleicht auch demnächst die größeren Firmen um.

PKN-Patricia Paryz„Hinter den Birken“ heißt der Kurzvortrag von Patricia Paryz, Fotografiestudentin und gebürtige Polin. Für ein Langzeitprojekt fährt sie immer wieder nach Ausschwitz und freundet sich dort mit einigen jungen Männern an. Sie will die Natur in dem ehemaligen KZ knipsen und das (wenige) Leben in der Stadt dokumentieren. Deshalb verbringt sie viel Zeit mit den neuen, überwiegend glatzköpfigen Bekannten.

Bis ihr Professor aus Deutschland sie eines Tages mit Blick auf eines ihrer Bilder sinngemäß fragt: „Kann es sein, dass dort noch eine gewisse rechte Gesinnung vorherrscht?“. Daran hat Patricia bisher aber überhaupt nicht gedacht und stalked ihre neuen Freunde auf Facebook  mit erschreckendem Ergebnis. Patricia wird trotzdem wieder zum Fotografieren nach Polen fahren und sich dabei fragen, ob dass die Heimat ist, die sie sehen wollte.

PKN-Alexander HosemannAuch in Hamburg gibt es einen denkwürdigen Ort, den viele als architektonischen Schandfleck betrachten: die Hochhäuser vom City-Hof, schräg gegenüber des Hauptbahnhofs. Konstruiert wurden die Tower von Architekt Rudolf Klophaus in den Jahren 1956 bis 1958. Wie bei vielen vermeintlich hässlichen, alten Gebäuden ist in der Politik bereits ein Abriss im Gespräch. Doch sollte dieses Vorhaben wahr werden, so fehlt Hamburg wieder ein wichtiges Stück Geschichte, meint Architekturstudent Marco Alexander Hosemann.

Er fordert deshalb dazu auf, sich bewusst zu machen, dass das Gebäude nicht immer so unansehnlich war und die Initiative City-Hof zu unterstützen. Eine umfassende Renovierung könne dem Hochauskomplex durchaus neues Leben einhauchen und etwa Raum für bezahlbares Wohnen schaffen. Denkt mal drüber nach!

PKN-Chris-CampeBeschwingt trällernd zieht man weiter, wenn man Chris Campes Schaufenster auf St. Pauli hinter sich lässt. Denn alle ein bis zwei Wochen prangt ein neues Zitat aus einem Musikhit in weißen Lettern an der Glasfront ihres Ladens. Die Quelle liefern Lieder aus den 50er bis 90er Jahren. Aber warum, fragen sich viele neugierige Passanten, die an dem Haus am Venusberg Nummer 22 vorbeischlendern. Ein Schaufenster, in dem nichts angepriesen wird, irritiere die Leute ungemein, sagt Chris. Regelmäßig bekommt sie neugierige Nachfragen und handgeschriebene Glückwünsche zu der Idee. Das ist dann wohl Kunst und kann deshalb auch nicht weg!!

Danke an die Pecha Kucha Veranstalter für den netten Themen-Mix, der für mich persönlich selbst ohne Rahmensketch funktioniert hätte. Außerdem nicht zu vergessen: Singer-Songwriter Lukas Droese, der die Pause mit stimmungsvoller Musik untermalt hat. Wann das internationale Veranstaltungsformat das nächste Mal in Hamburg läuft ist noch nicht raus, es lohnt sich aber, immer mal wieder in die Facebook-Gruppe zu schauen.

Pecha-Kucha-Flyer
Alle Fotos (außer das letzte) © Pecha Kucha Nights, Fotograf: Michael Osei-Ampadu. Mehr Bilder vom Abend gibts hier.

 

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